Von Bio überzeugen
Eine Argumentationshilfe ‒ erarbeitet von Teilnehmerinnen und Teilnehmern des VHS-Workshops “Bio trifft Bürger/in”
Bio? Ist doch alles Betrug!
- Betrug im Lebensmittelsektor kommt leider vor, insbesondere bei hochwertigen (und in der Produktion kostenintensiven) Produkten, mit denen sich bei Betrug richtig Geld “verdienen” lässt (ob konventionell oder bio). Da Bio-Betriebe aber regelmäßig kontrolliert werden, werden Betrugsfälle in der Regel schneller aufgedeckt.
Mit der Behauptung, Bio sei generell Betrug, dürfte man ja auch kein Auto mehr besitzen, weil (in großem Stil) Abgaswerte manipuliert wurden. - Die Behauptung, Bio sei generell Betrug, wird meist von Menschen hervorgebracht, die die Kontrollmechanismen und verschiedenen Siegel nicht kennen. Dabei ist gerade im Bio-Sektor ein Maß an Transparenz vorhanden, das es JEDEM und JEDER ermöglicht, bestimmte Angaben zu überprüfen. Für alle im Internet abrufbar sind z.B. die Bio-Zertifikate aller Bio-Betriebe ‒ weltweit (unter https://www.bioc.info/). Die Zertifikate geben auch Aufschluss darüber, für welche Produkte ein Betrieb zertifiziert ist.
- Bei Eiern lassen sich mit Hilfe des Eier-Codes auf jedem Ei zusätzlich zu den Bio-Zertifikaten auch über die Kontrollnummer und das KAT-System (https://www.was-steht-auf-dem-ei.de) weitere Informationen abrufen.
- Außerdem können im Internet alle Vorschriften und Richtlinien der Bio-Zertifizierung eingesehen werden - sowohl für das EU-Bio-Siegel als auch für die oft weitergehenden Bestimmungen der Anbauverbände wie Bioland, Naturland, demeter u.a. Und an diese Vorschriften müssen sich die Betriebe halten.
Bio-Landwirte wollen doch nur die Bio-Prämien kassieren.
- Die Prämien sind zeitlich begrenzt (in Niedersachsen derzeit 5 Jahre) und sollen Anreize bieten, denn die Förderung von Bio-Landwirtschaft ist politisch und gesellschaftlich erwünscht bzw. erforderlich. Auch Konsument(inne)n entscheiden sich oft erst dann für ein umweltfreundlicheres Verhalten, wenn es dafür eine Prämie gibt (z.B. Abwrackprämie bei Autos, Förderung von E-Autos).
- Die Prämien wiegen die Mehrkosten bei der Produktion nicht auf.
- Die Prämien sollen auch einen kleinen Ausgleich bilden, da Bio-Betriebe in den ersten zwei Jahren ihrer Umstellung zwar alle Mehrkosten zu tragen haben, ihre Produkte aber noch nicht zu höheren Preisen als Bio-Ware vermarkten dürfen.
- Auch konventionelle Landwirtschaftsbetriebe “kassieren” ja EU-Prämien ‒ und dabei sind Großbetriebe deutlich im Vorteil, da die Prämien flächenbezogen gezahlt werden. Kleinere Bio-Betriebe sind da im Nachteil.
- Ganz aktuell droht den Bio-Landwirt(inn)en eine weitere Benachteiligung: In der Gemeinsam Agrarpolitik (GAP) der EU ist festgelegt, dass konventionellen Betrieben für bestimmte ökologische Maßnahmen extra Prämien ("Eco-Schemes") gezahlt werden sollen - Maßnahmen, die für Bio-Betriebe selbstverständlich sind und nicht zusätzlich honoriert werden.
Bio machen die Landwirte doch nur, um mehr Geld für ihre Produkte kassieren zu können.
- Die Produkte MÜSSEN mehr kosten, da der Aufwand bei der Erzeugung für den Bio-Betrieb deutlich höher ist, z.B.
- werden “Unkräuter” nicht totgespritzt sondern mechanisch entfernt)
- ist der Ertrag pro Fläche geringer
- kosten die Auflagen zu Gunsten des Tierwohls deutlich mehr
- muss das Viehfutter zu mindestens 50% selbst angebaut werden - Die Kosten für konventionelle Lebensmittel sind auch deshalb so niedrig, weil für die Umweltschäden die Gemeinschaft zahlen muss ‒ die Bio-Landwirtschaft sorgt selbst dafür, dass diese Schäden nicht entstehen.
Den Tieren geht's in der Bio-Landwirtschaft auch nicht viel besser.
- Sicher gibt es konventionell arbeitende Betriebe, denen das Tierwohl am Herzen liegt. Um den Fleischkonsum zu decken, sind es aber vor allem die konventionell arbeitenden Massenbetriebe, die für den Großteil der Fleischerzeugung sorgen. Und die Zustände in diesen Betrieben sind allgemein bekannt. Solche Betriebe gibt es in der Bio-Landwirtschaft nicht!
- Die Bio-Richtlinien schreiben zwingend mehr Platz für das einzelne Tier sowie Auslauf vor.
- Auch für das Viehfutter gibt es klare Regeln, die für eine artgerechtere Fütterung von Bio-Tieren sorgen.
- In der Milchviehhaltung werden Kälber nicht in Einzelboxen sondern in kleinen Gruppen gehalten. Außerdem gibt es gerade im Bio-Sektor zunehmend mehr Betriebe, die sich der “Mutter- (oder Ammen-)gebundenen Kälberaufzucht” widmen ‒ damit die Kälber in ihrer ersten Lebenszeit natürlicher aufwachsen können. Hierbei wird dann in Kauf genommen, dass die Mutterkühe geringere Milchmengen für die Vermarktung produzieren
- Hier gibt es eine ausführliche Zusammenfassung der wichtigsten Regeln, die für die Bio-Tierhaltung gelten >>
Bio-Honig ist doch ein Witz - man kann den Bienen ja nicht vorschreiben, wohin sie fliegen.
- Der Einzugsbereich der Bienen kann durchaus gesteuert werden ‒ je nachdem, wo die Beuten (Bienenkästen) aufgestellt werden. Stehen die Bienen am Rande eines Bio-Rapsfelds, werden die Bienen dort auch vorrangig sammeln.
- Der wesentliche Unterschied zur konventionellen Imkerei liegt in der Haltung der Bio-Bienen, so werden den Königinnen bspw. die Flügel nicht gestutzt, die Beuten müssen aus Naturmaterial sein, es werden keine Antibiotika eingesetzt
- Zur Bekämpfung der Varoa-Milbe darf ausschließlich Ameisensäure eingesetzt werden und dieses auch nur in einem kleinen Zeitfenster im Winter (wenn die Bienen garantiert keine Brut aufziehen).
- Eine gute Zusammenfassung der wichtigsten Regeln in der Bio-Imkerei gibt es hier >>
Was nützt mir Bio, wenn der konventionelle Nachbar-Landwirt spritzt und alles rüberweht?
- Dieser Vorwurf zeigt, wie wichtig die Förderung des Bio-Landbaus insgesamt ist - je mehr Bio-Betriebe es gäbe, desto geringer wäre das Problem.
- Der konventionelle Landwirt darf nur spritzen, wenn die Wetterlage das zulässt und ein Herüberwehen so gut wie ausgeschlossen ist. Ganz vermeiden lässt es sich vor allem in den Randbereichen jedoch nicht, wenn die Flächen dicht beieinander liegen.
- Bio-Landwirte versuchen, das Risiko mittels Abstandsflächen zu minimieren.
- Umso wichtiger ist der Bio-Anbau, da konventionell angebaute Erzeugnisse auf diese Weise in den Randbereichen zweier konventioneller Betriebe die doppelte Portion Spritzmittel abbekommen können.
- Messungen zeigen, dass nur in 6,5% der untersuchten Bio-Lebensmittel Pestizide nachweisbar sind - im Gegensatz zu 44% in konventionell erzeugten Produkten.
Bio-Landwirte spritzen Kupfer, das ist auch nicht besser.
Leider gibt es noch keine Alternative zum Einsatz von Kupfer, wenn z.B. der Verlust einer gesamten Kartoffel-, Apfel- oder Weinernte durch eine Pilzerkrankung droht.
Wichtig zu wissen:
- Kupfer reichert sich NICHT in den Pflanzen an.
- Kupfer geht ins Oberflächenwasser, NICHT ins Grundwasser.
- Kupfer reichert sich im Boden an und wirkt u.U. toxisch auf Mikroorganismen und Weichtiere
Deshalb wird Kupfer nur im äußersten Notfall und in so geringer Konzentration wie möglich eingesetzt. Müssten Bio-Betriebe gänzlich auf Kupfer verzichten, müssten viele ihren Betrieb einstellen.
Bio ist nicht gesünder.
- Für die Umwelt ‒ vor allem auch für unser Grundwasser ‒ ist Bio-Landwirtschaft nachweisbar gesünder. Und eine gesunde Umwelt ist auch gut für uns Menschen und erhält die Lebensgrundlagen auch für nachfolgende Generationen.
- Bio-Lebensmittel sind gentechnikfrei, werden nicht mit Pestiziden und künstlichen Düngemitteln behandelt.
- Viele Bio-Lebensmittel enthalten ‒ bezogen auf ihr Gewicht ‒ mehr Nährstoffe und Vitamine, da sie oft länger wachsen und reifen dürfen und daher weniger Wasser enthalten.
- In der konventionellen Fleischerzeugung werden während der Aufzucht der Tiere häufig Medikamente eingesetzt. Insbesondere vorbeugend eingesetzte Antibiotika im Fleisch sind dafür verantwortlich, dass sich für den Menschen bedrohliche Antibiotika-Resistenzen entwickeln. In der Bio-Landwirtschaft werden vorbeugend keine Antibiotika eingesetzt.
Bio schmeckt nicht besser.
Über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten und den Bio-Lebensmitteln generell einen besseren Geschmack zu bescheinigen, wäre sicher nicht in Ordnung. Dennoch gibt es zum Teil auch geschmacklich deutliche Qualitätsunterschiede.
- Bio-Eier schmecken vielen Menschen besser, da das Futter eine andere Zusammensetzung hat und die Hühner im Auslauf auch ihre natürliche Nahrung zu sich nehmen.
- Bio-Lebensmittel sind oft dann schmackhafter/aromatischer, wenn sie wegen längerer Wachstums- und Reifezeit einen geringeren Wassergehalt aufweisen.
- Aber auch die Verwendung von z.B. ursprünglichen Tierrassen oder Obstsorten in der Bio-Landwirtschaft trägt dazu bei, dass vielen Menschen Bio-Produkte besser schmecken.
- Insbesondere bei Fleisch gilt es als erwiesen, dass es besser schmeckt, wenn die Tiere besseres Futter erhalten, langsamer wachsen (das Fleisch daher weniger Wasser enthält und - von Kenner(inne)n geschätzt - schön “marmoriert” ist) und bei der Schlachtung weniger Stress erleiden.
Bio brauche ich nicht. Ich kaufe regional, ich vertraue meinem Landwirt/Händler.
- Vertrauen kann ich einem Landwirtschaftsbetrieb nur, wenn ich weiß, was er wirklich macht ‒ in der konventionellen Landwirtschaft muss man grundsätzlich davon ausgehen, dass Pestizide gespritzt werden. Täte er es nicht, würde er sich sicher bio-zertifizieren lassen.
- In einem konventionellen Betrieb des Vertrauens lässt sich die Tierhaltung vielleicht in Augenschein nehmen und für gut befinden. Was aber für Laien nicht erkennbar bzw. kontrollierbar ist: Was wird gefüttert, welche Medikamente bekommen die Tiere, wo werden die Tiere (die wir auf der Weide bewundern), vor der Schlachtung gemästet? Werden die so saftig erscheinenden Wiesen, auf denen die Tiere weiden, gespritzt und künstlich gedüngt? In bio-zertifizierten Betrieben wird dieses alles von unabhängigen Stellen streng und regelmäßig kontrolliert.
Lebensmittel aus China sind doch niemals Bio - auch wenn's draufsteht.
- Importprodukte sind Bio, wenn sie das entsprechende offizielle Siegel tragen ‒ sie werden genauso kontrolliert wie hiesige Produkte.
- Wer den Transport der Ware aus fernen Ländern zu uns - womöglich mit dem Flugzeug - nicht mit “Bio” vereinbar findet, muss auf regionale Produkte umsteigen!
- Konventionell erzeugte Produkte aus fernen Ländern (und davon gibt es unendlich viele in unseren Supermarkt-Regalen) sind zwar meist deutlich billiger, aber nicht besser (insbesondere nicht für Umwelt und Arbeitsbedingungen vor Ort).
- Im Informationsportal oekolandbau.de gibt es einen sehr informativen Beitrag zur Frage, wie die Bio-Kontrolle in ferneren Ländern eigentlich funktioniert >>
Mit Bio allein kann man die Welt nicht ernähren.
Mit Bio kann man die Welt nicht ernähren ‒ der Flächenverbrauch für Bio-Lebensmittel ist viel höher als für konventionelle.
Richtig ist, dass in der Bio-Landwirtschaft pro Fläche weniger Ertrag erwirtschaftet wird. Würden wir also unser gesamtes Essverhalten und unseren Umgang mit Lebensmitteln so beibehalten wie bisher und dabei komplett auf Bio umsteigen, würde der Flächenverbrauch enorm ansteigen. Dieses wäre unter Umweltgesichtspunkten in der Tat nicht vertretbar, aber…
… allein die konventionelle Landwirtschaft mit all ihren fatalen Folgen für Umwelt und Natur (und damit auch für uns Menschen) stellt uns schon heute vor riesige Probleme.
Es gibt seriöse Rechenmodelle, die eine Vollversorgung der Weltbevölkerung durch Bio-Landwirtschaft für möglich halten, und zwar unter folgenden Voraussetzungen:
- gerechtere Verteilung der Lebensmittel (von den Über-Ernährten hin zu den Unter-Ernährten)
- Lebensmittelverschwendung minimieren (allein in Deutschland landen jährlich ca. 20 Mio. Tonnen Lebensmittel im Müll ‒ das ist fast ein Drittel des aktuellen Nahrungsmittelverbrauchs)
- Lebensmittelverschwendung minimieren heißt aber auch, unsere Lebensmittel wieder mehr wertzuschätzen und deutlich mehr Teile von Tier und Pflanzen zu verwenden als bisher (Hühner bestehen aus mehr als nur aus Brust!)
- Fleischkonsum deutlich einschränken ‒ auch hier findet eine große Verschwendung dadurch statt, dass aus sieben pflanzlichen Kalorien z.B. nur eine Kalorie in Form von Rindfleisch erzeugt werden kann
- was kein Problem wäre, wenn sich die Tiere ausschließlich von für Menschen unverdaulichen Gräsern ernähren würden
- was aber ein großes Problem ist, wenn es sich bei den 7 Kalorien um pflanzliche Proteine wie Soja oder andere Hülsenfrüchte handelt (von denen deutlich mehr Menschen satt werden könnten als auf dem Umweg über das Fleisch) - Bio-Anbau fördert die Eigenversorgung der Menschen in Entwicklungsländern (keine Abhängigkeit mehr von Pharma- und Saatgut-Konzernen, an Boden und Klima angepasste Pflanzen, Schaffung eigener Märkte)