Ökologischer Landkreis Goslar

Bio von uns, Öko für alle

Landkreis Goslar, November 2030


ACHTUNG VISION, WIR SCHREIBEN DAS JAHR 2030!

Der Landkreis Goslar heißt ab sofort “Ökologischer Landkreis Goslar”. Die niedersächsische Ministerin für Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit ist zur Verleihung des Titels mit ihrem autonom fahrenden Elektro-Minibus ID.BUZZ AD nach Goslar gekommen ‒ mit an Bord waren der Staatssekretär für Regenerative Land- und Forstwirtschaft, die Staatssekretärin für Ganzheitliche Gesundheit und Nachhaltige Ernährung sowie der Staatssekretär für Nachhaltigen Tourismus. Mit dem neuen Titel wird der Landkreis Goslar für sein überdurchschnittliches und alle Lebensbereiche berührendes Engagement im Sinne einer lebens- und liebenswerten Zukunft auch für die nachfolgenden Generationen ausgezeichnet. Bei der Verleihung betont die Ministerin, dass die Auszeichnung gleichermaßen als Anerkennung für Geleistetes sowie Ansporn für die Weiterentwicklung gedacht ist. Die zahlreichen Akteurinnen und Akteure freuen sich sehr über diese Ehre und den damit verbundenen Auftrag, diesen Weg gemeinsam mit allen, die Lust dazu haben, auszubauen und zu gestalten.


Vor zehn Jahren, als alles begann, hatte wohl niemand im Traum daran gedacht, wie sich das alles einmal entwickeln sollte. Im Jahr 2020 nämlich hatte das Land Niedersachsen erstmalig drei “Öko-Modellregionen” ins Leben gerufen ‒ eine davon war der Landkreis Goslar, der sich mit einem ambitionierten Konzept erfolgreich darum beworben hatte. Ursprünglich sollten die Öko-Modellregionen lediglich für drei Jahre gefördert werden, weitere drei Regionen Jahr für Jahr hinzukommen. Alle Öko-Modellregionen der ersten Stunde leisteten engagierte und vielversprechende Pionierarbeit und konnten das Ministerium deshalb dafür gewinnen, die Förderung ‒ analog zu den Bundesländern Hessen, Bayern und Baden-Württemberg ‒ zunächst (bei stetig abnehmender Fördersumme) zu verlängern. Mittlerweile steht die Öko-Modellregion Landkreis Goslar auf eigenen Füßen und heißt nun nicht mehr “Modellregion” sondern eben “Ökologischer Landkreis”.


Die Arbeit der ersten Jahre war darauf ausgerichtet, die in dem Bewerbungskonzept entwickelten Ziele und Projekte umzusetzen bzw. auf den Weg zu bringen. Das ehrgeizigste Projekt dabei war die Gründung einer genossenschaftlich organisierten Bio-Bäckerei im Landkreis. Heute zeigt sich, dass die an der Entwicklung des Bewerbungskonzepts  Beteiligten im Jahr 2019  mit diesem Projekt den richtigen Riecher hatten. Die Bäckerei ist heute aus dem Landkreis nicht mehr wegzudenken, da sie in zahlreiche Lebensbereiche hineinwirkt und Veränderungen angestoßen hat ‒ Veränderungen, die selbstverständlich etwas mit der herausragenden Handwerkskunst von Bio-Bäcker und -Bäckerin, köstlichem Brot und  traditionellen Harzer Backwaren aus Getreide von engagierten und fair bezahlten Bio-Landwirten in der Region zu tun haben. Es geht aber auch um Veränderungen, die indirekt in Gang gesetzt wurden. 


Um diese Veränderungen sichtbar zu machen, ist es sinnvoll, sich die ursprünglichen Ziele und Projekte der Öko-Modellregion Landkreis Goslar anzuschauen und den Fokus dabei auf die Rolle der Bio Bäckerei zu richten (Reihenfolge wie im Ursprungskonzept). Lesen Sie unten einfach weiter oder laden Sie sich unsere Vision als PDF herunter.

Vermarktungsstrukturen mit Identität

Bereits Ende 2021 war es gelungen, mit der Dachmarke “Bio von uns” und dem einprägsamen Logo mit hohem Wiedererkennungswert Produkte aus dem Landkreis auszuzeichnen. Erste Partner*innen im Lebensmitteleinzelhandel warben in Form von Plakaten damit, bio-regionale Waren aus dem Landkreis anzubieten, auf Eierverpackungen und Honiggläsern prangt das Logo neben dem offiziellen Bio-Siegel. 

Die Gründung der Bio-Bäckerei verlieh dieser Entwicklung einen kräftigen Schub: Zunächst stand ja die Bio-Zertifizierung der Getreidemühle in Langelsheim auf der Tagesordnung – ohne die es nicht möglich gewesen wäre, das im Landkreis erzeugte Bio-Getreide auch im Landkreis vermahlen und schließlich verbacken zu lassen. Da die Zertifizierung bereits im Oktober 2021 erfolgte, die Gründung der Bäckerei aber erst in den Anfängen steckte, weckten die Akteur*innen der Öko-Modellregion das Interesse von Lebensmitteleinzelhandel, Bioläden, Restaurants und (Hof-)Cafés und vor allem auch der Verbraucherinnen und Verbraucher am Kauf von bio-regionalem Getreide bzw. Mehl.

Heute, neun Jahre später, gehören neben Brot und Backwaren auch Mehl, Vollkornmehl, Ganzkorn-Getreide und Getreideflocken aus dem Landkreis selbstverständlich zum Sortiment in jedem Supermarkt, in den Hofläden, Bioläden und Reformhäusern und im Unverpackt-Laden. Auch über die Bio-Abokisten und die Einkaufsgemeinschaft "Futterkiste" ist die Nachfrage nach diesen Produkten ungebrochen hoch. Die Vermarktung der  Getreideprodukte über den Online-Shop zieht auch Kundinnen und Kunden aus den umliegenden Landkreisen an, der Umsatz steigt stetig.

Mehl, Brot und Backwaren hielt Einzug in Kitas, Schulen, Krankenhäuser, Kliniken, Reha-Einrichtungen, Kochkurse, Kantinen, Imbisswagen und Foodtrucks, Catering-Betriebe, Bistros, Gaststätten, Cafés und Restaurants. 

Vereine, Verbände, Kirchengemeinden und Initiativen, die nach jahrelanger aber schließlich doch überwundener Corona-Pandemie aktiver denn je sind, verwenden selbstverständlich bio-regionales Mehl, wenn sie auf ihren Festen, Märkten und sonstigen Aktionen z.B. selbstgebackene Waffeln oder Kuchen anbieten. Auch Brot und vor allem die Backwaren nach traditionellen Harzer Rezepten finden hier großen Anklang.

Der inzwischen gegründete Trägerverein "Ökologischer Landkreis Goslar" besitzt die Rechte an der Dachmarke und erlaubt die Verwendung selbstverständlich allen bio-zertifizierten Betrieben im Landkreis, aber auch die oben genannten Vereine und Initiativen dürfen das Logo vorübergehend und beschränkt auf die jeweilige Aktion an ihrem Stand präsentieren – vorausgesetzt, sie können anhand einer Rechnung den Kauf der Getreideprodukte belegen. 

Diese weite Verbreitung des Logos hat sich bei Verbrauchern und Verbraucherinnen in Wort und Bild tief verankert – das Logo besitzt deshalb einen hohen Wiedererkennungswert. Die Folge: Auch andere Produkte, die mit diesem Logo ausgezeichnet sind, werden verstärkt nachgefragt und gezielt gesucht.

Erzeuger-Verbraucher-Netzwerk

Ein Erzeuger-Verbraucher-Netzwerk entstand bereits vor der Eröffnung der Bio-Bäckerei ‒ allerdings trägt die Biobäckerei maßgeblich dazu bei, das Netzwerk zu stärken und stetig zu erweitern. Mit der Bäckerei-Genossenschaft hat dieses Netzwerk auch einen formalen Rahmen bekommen. Das köstliche Brot, die leckeren Brötchen und das ausgewählte Gebäck sind mittlerweile im gesamten Landkreis (und zum Teil darüber hinaus) bekannt und erfreuen sich steigender Beliebtheit. Auch Biokiste und Einkaufsgemeinschaft profitieren davon und stärken das Erzeuger-Verbraucher-Netzwerk. Nicht zuletzt die immer ausgebuchten Führungen durch die Getreidemühle und Exkursionen zu den Erzeuger-Höfen schaffen und stärken die Verbindung zwischen Erzeuger*innen, Verarbeiter*innen und Verbraucher*innen. Die Stärke des Netzwerks liegt auch darin, dass zahlreiche Kunden und Kundinnen Sammelbestellungen aus Ihrem Bekanntenkreis oder ihrer Nachbarschaft entgegennehmen, bei der Bäckerei in Jerstedt abholen und unter den Besteller*innen verteilen.

Auch in Tourismus und Gastronomie hat sich die Bio Bäckerei im besten Sinne herumgesprochen, so dass sich wiederkehrende Harz-Besucher*innen immer schon auf das Harzer Bio-Frühstück (siehe weiter unten) freuen. Auch die Betreiber von Ferienwohnungen und Campingplätzen bieten mittlerweile den Service, ihren Gästen nach Vorbestellung morgens eine Bio-Brötchentüte an die Tür zu hängen. Möglich ist dieser Service, weil es gelungen ist, einen Lieferservice aufzubauen. Dieser wiederum stärkt auch die Vermarktung von Gemüse, Eiern und Kartoffeln im Landkreis, da so die Gastronomie termingerecht beliefert werden kann.



Erzeuger-Verarbeiter-Netzwerk

Als im Jahr 2020 die Öko-Modellregion ihre Arbeit aufnahm, gab es im Landkreis noch keinen einzigen bio-zertifizierten Verarbeitungsbetrieb, der sich für die Verwendung der Bio-Produkte im Landkreis geeignet hätte. Bevor also ein Netzwerk gebildet werden konnte, mussten erst einmal Verarbeitungsbetriebe her. Mit der Bio-Zertifizierung der Getreidemühle gelang der Aufschlag. damit wurde eine Kettenreaktion ausgelöst: Mittlerweile haben wir eine Nudelmanufaktur, einen Müsli-Hersteller, eine Marmeladenmanufaktur, eine Kartoffel- und Gemüse-Chips-Herstellerin und eine kleine Ölmühle, die regionale Sonnenblumenkerne und Raps zu köstlichem Öl verarbeitet. Außerdem konnte ein im Harz bereits ansässiger Betrieb dafür gewonnen werden, aus regionalem Getreide und Hülsenfrüchten Convenience-Produkte für die Gastronomie herzustellen. Die Fertigmischung für vegetarische oder vegane Bratlinge ist sehr beliebt und leistet einen großen Beitrag zur Vermarktung unserer Erzeugnisse.

Um die Vermarktung zu erleichtern und weiter auszubauen, wurde eine Vermarktungsplattform geschaffen, auf der die Erzeuger*innen ihre gerade vorhandenen Produkte online anbieten – so können Gastronomie, Verarbeitungsbetriebe  und Lebensmitteleinzelhandel das Angebot sichten und bequem online bestellen.

Und der nächste Meilenstein wird gerade geplant: Der im Landkreis angesiedelte Hersteller von Bio-Kosmetik ist im Gespräch mit einigen landwirtschaftlichen Betrieben, um Chancen auszuloten, regionale Rohstoffe als Zutaten für verschiedene Kosmetika anzubauen.

Regionales Bio-Mehl für regionale Backwaren

Projekt Nr. 4 (das in diesem Bericht theoretisch an den Anfang gehört, im Konzept zur Ökomodellregion jedoch an 4. Stelle steht), hat eine große Welle ausgelöst ‒ wie oben zum Teil ja schon beschrieben. Darüberhinaus aber hat die Bäckerei noch viele weitere positive Entwicklungen ausgelöst: So werden mittlerweile alte Getreidesorten wie Emmer und Einkorn angebaut, Sonnenblumenkerne stehen bereits für die Bäckerei zur Verfügung, Walnuss-und Haselnusssträucher wurden angepflanzt (und alle warten gespannt auf die erste Ernte), Streuobstwiesen liefern köstliches Obst an die Bäckerei und der für den Harz früher einmal typische Buchweizen wird im Landkreis in Bio-Qualität wieder angebaut. So gibt es nun die beliebte und im Harz traditionelle Buchweizen-Torte auch in bio. Gastronomie und Cafés sind fleißige Abnehmer.

Das alles ist nur möglich, weil durch den Aufschwung, den die Bio-Bäckerei der Bio-Erzeugung im Landkreis insgesamt beschert hat, viele weitere Landwirt*innen gewonnen wurden, ihren Betrieb auf ökologische Landwirtschaft umzustellen.


„Harzer Bio-Frühstück“ 
Für mehr Bio-Regionalität im Tourismus

Das "Harzer Bio-Frühstück" wurde von den Konzept-Entwickler*innen 2019 recht forsch in das Papier hineingeschrieben – trotz der Tatsache, dass es eigentlich noch gar keine Bio-Erzeugnisse gab, die ein Frühstücksbuffet hätten bereichern können. Doch mit dem Aufbau der Bio-Bäckerei wurden die Grundlagen für das Frühstück geschaffen und weitere Leckereien für den Frühstückstisch entwickelt. 

Die dynamische Entwicklung im Landkreis Goslar bezüglich der ökologischen Landwirtschaft hat dazu geführt, dass wir neben dem Brot und Brötchen, Eiern und Honig (die bereits von Anfang an verfügbar waren) nun auch Marmeladen, Käse und Milchprodukte sowie Wurstwaren aus dem Landkreis zur Verfügung haben – und das alles in Bio-Qualität. Der Weg dahin war nicht ganz einfach, denn neben dem Aufbau der Bäckerei wurde dann auch der ansässige Bio-Milchviehbetrieb dabei unterstützt, eine Hofmolkerei und -Käserei aufzubauen und ein lokaler Schlachter konnte dafür gewonnen werden, bio-zertifiziert zu schlachten und Wurstwaren herzustellen. Bereichert wird das "Harzer Bio-Frühstück" selbstverständlich – im Sommer – durch Tomaten und anderes frisches Gemüse sowie durch verschiedene Obstsorten von unseren Streuobstwiesen (die auch den Rohstoff für die köstlichen Marmeladen liefern).

Zudem arbeitet der "Ökologische Landkreis Goslar" auch eng mit Betrieben aus den umliegenden Landkreisen zusammen, um sich gegenseitig zu bereichern und das kulinarische Angebot attraktiver zu gestalten. So kommt z.B. der Senf aus Einbeck, das Salz von der Saline Luisenhall, ergänzendes Obst aus Wernigerode, Gemüse (für die leckeren Frühstückssäfte) sowie Wurstwaren aus dem Landkreis Harz (selbstverständlich alles bio-zertifiziert).

Die Streuobst-Bestände im Landkreis sind zum Teil noch relativ jung, so dass es sich erst jetzt für die im Landkreis ansässige Mosterei lohnt, auch eine bio-zertifizierte Linie anzubieten. Damit hat sich die Zahl der Verarbeitungsbetriebe noch einmal erhöht.

Bio-Kartoffeln 
(nicht nur) für Student*innen

Das Projekt "Bio-Kartoffeln für Student*innen" war kein Selbstgänger ‒ im Gegenteil. Denn als dieses Projekt erdacht und in das Konzept hinein geschrieben wurde, wurde nicht bedacht, dass die Mensa der Universität Clausthal mittlerweile längst von einem überregionalen Betreiber versorgt wird. So schien es anfangs kaum denkbar, diesen Betrieb dazu zu bewegen, für das Angebot in Clausthal-Zellerfeld Bio-Kartoffeln auf den Speiseplan zu setzen. Doch auch hier waren Brot und Brötchen der Bio-Bäckerei Initialzündung: denn zunächst wurde gemeinsam mit den Studierenden das Angebot der Cafeteria um Biobackwaren erweitert. Und da diese so gut ankamen, war der Grundstein dafür gelegt, auch mit dem Betreiber der Mensa einen Schritt in Richtung bio-regionale Versorgung zu gehen. Mittlerweile ist es gelungen, die Kartoffelgerichte der Mensa mit Kartoffeln aus dem Landkreis Goslar zu gestalten – die Verwendung weiterer Bio-Erzeugnisse ist in Planung.

Durch die begleitende Öffentlichkeitsarbeit wurden auch Kantinen vieler mittlerer und großer Betriebe im Landkreis aufmerksam, so dass auch hier mittlerweile eine Umstellung auf Bio-Lebensmittel in Gang gesetzt wurde. Auch Krankenhäuser, Reha Einrichtungen oder Senioren-/Pflegeheime interessieren sich für diese Entwicklung und nehmen mittlerweile mehr und mehr teil an einer Umstellung ihrer Küchen auf Bio-Lebensmittel. Dabei spielt auch eine große Rolle, dass die Menschen im Alter oder in Krankenhäusern und Kliniken zunehmend ihre Ansprüche auch in Bezug auf die Ernährung artikulieren und durchsetzen – auch das sicherlich angeschoben durch die Öko-Modellregion und nunmehr beschleunigt durch die Arbeit des Trägervereins "Ökologischer Landkreis Goslar".


Regionales Bio-Obst & Bio-Gemüse 
für Kitas und Schulen

Auch dieses Projekt hat viel Auftrieb durch die Bio-Bäckerei erfahren. Das Ziel, Bio-Obst und -Gemüse in Kitas und Schulen zu bringen, wurde zunächst vorbereitet durch eine Kooperation mit der Kreisvolkshochschule: Für Erzieherinnen und Erzieher wurden Bildungsangebote zur Ernährungsbildung sowie Kurseinheiten für die Arbeit mit den Kindern und Schülerinnen angeboten. Die Idee war, zunächst die Grundlagen dafür zu schaffen, dass sich die Kinder und Jugendlichen für ihre eigene Ernährung und die Erzeugung der Lebensmitteln interessieren, um in einem weiteren Schritt diese Lebensmittel dann auch in ihren täglichen Speiseplan in Kita und Schule einzubauen.

Da vor dem Backen das Brot und der Brötchen bekanntlich die Erzeugung von Mehl bzw. Getreide steht, bot sich mit der Bio-Zertifizierung der Getreidemühle die Möglichkeit, Kinder und Jugendliche mit dem Anbau vom ersten Getreidekorn bis hin zum fertigen Brot vertraut zu machen. So boten die Bio-Betriebe den Kindern die Möglichkeit, von der Aussaat über Wachstumsprozess und Ernte bis hin zum Mahlen des Getreides und des Verbackens in der Bio-Bäckerei die einzigartige Möglichkeit, die Lebensmittelproduktion am Beispiel von Brot hautnah zu erleben. 

Parallel dazu durften Kinder auch die Erzeugung von Gemüse, Eiern, Honig, Pilzen, Obst und Kartoffeln miterleben. Da wo es die Gegebenheiten zuließen, wurden die Kitas und Schulen auch unterstützt, in einem kleinen eigenen Garten oder Hochbeet selber einiges anzubauen. 

Damit wurde der Grundstein gelegt für die Versorgung von Kitas und Schulen mit Bio-Lebensmitteln. Und da die Kinder begeistert davon auch zu Hause erzählten, interessierten sich auch mehr und mehr Erwachsene – die ansonsten relativ schwer zu erreichen wären – für Bio-Lebensmittel. Für diese Zielgruppe wurden ebenfalls Führungen und Exkursionen angeboten, aber auch Beratungsmöglichkeiten geschaffen, wie mit schmalem Geldbeutel eine Umstellung auf Bio-Lebensmittel gelingen kann. Hier spielen auch die Einkaufsgemeinschaften “Futterkiste”, die sich im Laufe der 10 Jahre erweitert haben, eine wichtige Rolle: Gemeinsam lässt es sich deutlich kostengünstiger einkaufen.

Bio trifft Bürger*in
... und heraus kommt ein Ernährunsrat

Bereits in den ersten Wochen der Existenz der Öko-Modellregion 2020 wurde deutlich, dass der Kontakt und die Information von und zu Bürgern und Bürgerinnen von essentieller Bedeutung ist. Auch wenn mittlerweile alle schon einmal etwas von Bio-Lebensmitteln bzw. deren Siegeln gehört oder gelesen haben, so wurde doch sehr schnell klar, dass die Informationen zu den Hintergründen (Was genau ist ein Bio-Lebensmittel, was verbirgt sich hinter den verschiedenen Siegeln und vor allem, warum ist regional allein nicht ausreichend?) noch zu wenig verbreitet waren. 

Aus dieser Erkenntnis heraus wurden schon sehr frühzeitig gemeinsam mit der Kreisvolkshochschule Angebote für interessierte Bürger und Bürgerinnen gestaltet. Aus diesen Workshops ist mittlerweile ein sehr aktiver “Ernährungsrat” hervorgegangen – Bürgerinnen und Bürger treffen sich nun schon seit acht Jahren regelmäßig zum Thema “Wie wünschen wir uns unsere Ernährung?” Den Auftakt dazu bildete die Zukunftswerkstatt “Essen, wie es uns gefällt”, woraus sich dann der sogenannte Ernährungsrat entwickelte. Hier wird diskutiert, Expert*innen zu verschiedenen Themen werden eingeladen, konkrete Projekte entwickelt oder unterstützt, Politik und Verwaltung einbezogen, gemeinsame Koch-und Ernte-Aktionen oder Exkursionen und Fahrradtouren zu Erzeuger-Betrieben und vieles mehr stehen regelmäßig auf dem Programm.

Streuobstwiesen für Biodiversität
und Genuss

Nicht nur die Öko-Modellregion Goslar, sondern vor allem auch die Naturschutzverbände, der Landschaftspflegeverband und die Jägerschaft haben in den vergangenen zehn Jahren viel Einsatz gezeigt, um den Bestand an Streuobstbäumen stetig zu erweitern. Auch die Bio-Betriebe in der Landwirtschaft haben häufig Streuobstwiesen angelegt. Noch ist dieser Bestand zum Teil relativ jung und wirft deshalb noch keine ergiebige Ernte ab. Doch der Landkreis Goslar verfügt glücklicherweise auch über ältere Streuobst-Bestände. 

Damit die herrlichen Obstsorten – in der Regel alte heimische Sorten – auch anders als über den obligatorischen Most genossen werden können, kommt das Streuobst nun zum einen direkt (über die Einkaufsgemeinschaften oder Biokisten) und zum anderen indirekt im leckeren Gebäck der Bio-Bäckerei zu den Streuobst-Liebhaber*innen. 

Und selbstverständlich kommt das Streuobst auch zu den Kindern in Kitas und Schulen – immer auch verbunden mit Exkursionen zu den Streuobstwiesen, damit die Kinder (und Erwachsenen) erleben können, was das Besondere an einer Streuobstwiese ist und warum sie so wertvoll für unsere Umwelt sind.

Die Bio-Genussroute
im E-Bike Paradies

Die "Genussroute im E-Bike-Paradies” ist im Harz mittlerweile längst zu einer Institution und einem erfolgreichen Angebot im Harzer Tourismus geworden. Ursprünglich war angedacht, sich auch mit Bio-Betrieben an das Konzept der Genussrouten anzuhängen. Doch beim Start der Öko-Modellregion war die Planung der Genussrouten im E-Bike Paradies bereits so weit fortgeschritten, dass sich dort kein direkter Anknüpfungspunkt ergab. Die Idee wurde dennoch nicht fallengelassen ‒ stattdessen wurden Fahrrad-Touren zu verschiedenen Bio-Betrieben (mit Führung) konzipiert. Und zu diesem Anlass sorgt dann jeder Betrieb auch für ein kleines kulinarisches Angebot mit Bio-Zutaten aus dem Landkreis. Diese Fahrradtouren erfreuten sich bereits bei der Premiere so großer Beliebtheit, dass sie mittlerweile zu einer Institution geworden sind, die oft auch mehr als nur einmal pro Jahr stattfindet.

Und nun, nach 10 Jahren, dürfen wir gleichzeitig mit der Verleihung des Titels "Ökologischer Landkreis Goslar" auch die Eröffnung eines Bio-Hofcafés feiern. Den Kuchen liefert selbstverständlich auch die Bio-Bäckerei. Daneben gibt es zwei weitere Highlights, das Bio-Honig-Joghurt-Eis und die Bio-Waffeln aus Mehl und Eiern aus unserem Landkreis. 

Das Eis wurde damals anlässlich der ersten Fahrradtour eigens für den Biohof produziert und fand großen Anklang. Allerdings war zwar der Honig aus ökologischer Bienenhaltung – von Bio-Joghurt aus der Region haben wir damals jedoch kaum zu träumen gewagt. Heute ist er Realität. Zurzeit laufen die Gespräche, um eine Fahrradtour zu diesem Hofcafé auch in die offiziellen Genussrouten im E-Bike Paradies aufzunehmen. Denn der Genuss ist auf jeden Fall garantiert.

Und noch mehr Genuss gibt es mittlerweile im Landkreis bio-zertifiziert: Die ersten Restaurants und Cafés haben sich auf den Weg zur Bio-Zertifizierung gemacht – sie sind damit dem Trend und vor allem dem Wunsch zahlreicher Touristen und Touristinnen nach einem Bio-Restaurant im Urlaub gefolgt. Denn wer möchte schon gern im Urlaub auf das verzichten, was im Alltag selbstverständlich ist? Und die Ernährung mit Bio-Lebensmitteln ist mittlerweile (und zunehmend) zur Selbstverständlichkeit bei vielen Menschen (insbesondere in den Großstädten) geworden.

Ökologische Landwirtschaft
mit allen

Als das Konzept zur Öko-Modellregion Landkreis Goslar entwickelt wurde, wurde als letztes Projekt geplant, in der Landwirtschaft auch mit Menschen mit Behinderungen zusammenzuarbeiten und so einen Beitrag zur Inklusion zu leisten. Dieses konnte auch erfolgreich umgesetzt werden, jedoch hat die Entwicklung hin zum "Ökologischen Landkreis" dafür gesorgt, dass sich mittlerweile mehrere Inklusions- und Integrationsprojekte etabliert haben. In der Bäckerei beispielsweise arbeiten Menschen mit Fluchthintergrund, in anderen Betrieben wiederum finden Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen eine neue Aufgabe. Durch die positiven Erfahrungen der letzten Jahre beginnen nun auch gastronomische Betriebe damit, geeignete Tätigkeiten an Menschen mit Behinderungen zu vergeben. Und in der Landwirtschaft werden ebenfalls Menschen mit Fluchthintergrund beschäftigt – denn viele bringen aus ihrer Heimat Erfahrungen in der Landwirtschaft mit.

Alles in allem zeigt sich, dass die Akteure und Akteurinnen der Öko-Modellregion und des jetzigen “Ökologischen Landkreises” mit der Gründung einer Bio-Bäckerei genau den richtigen Riecher hatten. Es ist erstaunlich, welche Entwicklung sich dadurch für den Landkreis ergeben hat und welche Chancen sich auch für die weitere Zukunft auftun: War es 2020 noch so gut wie unmöglich, dass ein im Landkreis produziertes Bio-Erzeugnis letztendlich auch auf einem Teller im Landkreis landete, so gibt es heute für viele verschiedene Produkte eine geschlossene Wertschöpfungskette in der Region – vom landwirtschaftlichen Erzeugnis über diverse Verarbeitungsbetriebe, die Gastronomie und Außer-Haus-Verpflegung, über den Einzelhandel oder Direktvertrieb bis hin zu Verbraucher und Verbraucherin. Eine Erfolgsgeschichte mit dem Potenzial zu vielen Fortsetzungskapiteln.